Menschliche Kommunikation ist manchmal gar nicht so einfach. So hören wir zwar die Worte klar und deutlich, verstehen jedoch nicht selten etwas vollkommen anderes. Und schon sprechen wir aneinander vorbei. Eine Gefahr für ein solches Missverständnis birgt die Frage des Kunden: Wie lange dauert es?
Meine Frau und ich hatten längst entschieden, dass unser fünfjähriger Sohn ein neues Fahrrad zu Ostern bekommen sollte. Leider hatte ich nun vergessen, eben dieses rechtzeitig zu bestellen. Und Ostern kam näher. Nun drängte die Zeit. Schnell noch bestellen. Ob es noch gelingt? Bei der Auswahl des Fahrradherstellers trat nun nicht nur die alles überstrahlende Frage nach Gestaltung, Qualität und (sehr wichtig) Gewicht des Kinderfahrrades, sondern zwangsweise auch die Lieferzeit in den Vordergrund. Schaffen wir es als Eltern in Zusammenarbeit mit dem Fahrradhersteller und gemeinsam mit dem Osterhasen diesen nicht mit leerem Nest loshoppeln zu lassen. Schaffen wir es, unseren Sohn die Freude des neuen Fahrrads zu bescheren? Die Frage bei der Auswahl des Anbieters: Wie lange dauert es bis das Fahrrad montiert ist und geliefert werden kann.
Wie lange dauert es?
Hier ist sie nun, die Frage nach der Zeitdauer die vielen Kreativen Schweißtropfen auf die Stirn treibt. Denn: Auch Dein Kunde stellt die Frage »Wie lange dauert es?« Warum aber stellt er diese Frage? Vor allem aus den gleichen zwei Gründen, die auch mich bei der Wahl des Fahrradanbieters und bei meiner Entscheidung geleitet haben:
- Die absolute Projektdauer und
- der Liefertermin.
Wenn wir uns für etwas entschieden haben, dann möchten wir Menschen es schnell haben. Warten ist anstrengend. Schon als Kinder wollen wir das Spielzeug jetzt besitzen. Das Warten bis Weihnachten stellt hohe Anforderungen an unsere Selbstdisziplin. Ökonomen sprechen hier von Zeitpräferenz. Verhaltenspsychologen von Impulskontrolle. Zukünftige Ereignisse erscheinen weniger wertvoll, weniger greifbar. Wir wollen es jetzt haben. Gleich. Sofort. Das zeigt sich daran, dass sehr viele Menschen spezielle Angebote wie Amazon Prime nutzen, die »garantieren«, dass die Lieferung teilweise noch am gleichen Tag kommt. Amazon hat verstanden, das schnelle Lieferzeit einen hohen Wert widerspiegelt und diesen geschickt in sein Angebot verwoben. Mit Zeitpräferenz lässt sich nebenbei auch erklären, warum gegenwärtig so viele Menschen privatgenutzte Immobilien über Schulden finanzieren. Der Konsumverzicht durch Sparen, den noch unsere Großeltern bestens kannten, ist mühselig. Das vermeintliche Glück des scheinbaren »Eigentums« der Immobilie verlockender …
Auch unsere Kunden wollen es schnell – wenn sie es wollen
So geht es auch unseren Kunden. Unsere Kunden brauchen etwas schnell. Ist es wichtig und dringend, dann tut jeder Tag unter Umständen nicht nur emotional weh, sondern kann aus kaufmännischer Sicht sogar sichtbare und unsichtbare Kosten hervorrufen. Ökonomen sprechen hier unter anderem von den Kosten der Verzögerung. Spätestens am mahnenden Beispiel des unsäglichen Flughafen Berlin-Brandenburg werden die Kosten der Verzögerung und deren weitreichenden Auswirkungen deutlich. Manche Dinge sind zudem einfach wirklich wichtig und dringend – und womöglich unaufschiebbar: Damit ist eben diese Frage nach der Zeitdauer mehr als nur berechtigt. Ein Anbieter, der schnell und zuverlässig bei höchster Qualität liefern kann, hat hier regelmäßig einen großen Wettbewerbsvorteil.
Die Frage, ob ein Anbieter damit schnell, wirkungsvoll und zuverlässig liefern kann, ist damit nicht nur verständlich, sondern auch vollkommen sinnvoll. Noch deutlicher: Würde sie nicht gestellt werden, könnte das unter Umständen sogar ein Zeichen dafür sein, dass der Kunde gar kein Interesse oder die Wichtigkeit und den Wert gar nicht spürt. Nur Kunden, die einen gewissen Druck verspüren, den Status Quo zu ändern, sind bereit etwas zu investieren. Nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Denn die verfügbare Zeit ist vielfach der größere Engpass, als die ebenfalls stets knappen Geldmittel.
Was aber hören wir, wenn der Kunde dies Frage stellt?
Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung, worin unser gegenwärtiges Geschäftsmodell besteht. Wir verkaufen Zeit. Zeit, die wir über Aufwände und Stundensätze im Vorhinein oder im Nachtrag (Beides gleichermaßen mangelhaft und schädlich für unseren Gewinn.) zu Markte tragen. Knappe Lebenszeit, die wir zum Einheitspreis (Stundensatz) veräußern suchen. Stets in der getriebenen Schleife, noch mehr Zeit verkaufen zu müssen. Denn: Je mehr Zeit wir verkaufen, desto besser für uns.
Das beeinflusst nun, wie wir diese Frage verstehen. Was hören wir, wenn jemand nach der Dauer fragt? (»Wie lange dauert es?«) Dann hören wir: Was ist der Preis? Das geschieht unbewusst. Die Verbindung Zeit(aufwand) und Preis wohnt dem Geschäftsmodell und unserem Weltbild inne. Tief verwurzelt. So ist das in meinen Vorträgen, Seminaren und Workshops eines der häufigsten geäußerten Probleme, dass es schwer falle, mit dieser Frage umzugehen. Wir haben von »Klein auf« gelernt, dass diese Frage mit der Frage nach dem Preis gleichzusetzen ist.
Damit muss zwangsläufig diese Frage wie ein Angriff wirken. Fragt nämlich der Kunde nach der Dauer, hören wir: »Wie viel kostet das?« Und schlittern so in das nächste Dilemma. Würden wir sagen, dass wir es in wenigen Stunden schaffen könnten, würde damit unser Preis automatisch in den Keller gezogen werden. Und deshalb schwurbeln wir vor uns hin und erklären, dass man das nicht wissen könne und das man dafür ja erst einmal und so weiter und so fort. Während das Interesse eine Kunden also darin liegt, etwas möglichst schnell zu erhalten, wollen wir (unbewusst) länger dafür benötigen. Und so stehen wir dem Interessen des Kunden direkt entgegen. Eine denkbar schlechte Basis für eine Zusammenarbeit. Um noch einmal mit dem Zaunpfahl zu winken: Eine Agentur, die schnell und zuverlässig bei höchster Qualität liefern kann, hätte hier regelmäßig einen großen Wettbewerbsvorteil …
Wie gehe ich mit der Frage um?
Die Frage des Liefertermins und der Projektdauer ist eine wichtige Frage und sie kann (und muss) von einem erfahrenen Könner unter dem Vorbehalt von höherer Gewalt und der unserer Welt innewohnenden Ungewissheit beantwortet werden können. So wie der Anbieter des Kinderfahrrades den Liefertermin nur soweit genau prognostizieren kann, wie nicht irgendeine unerwartetes Ereignis eintritt wie beispielsweise ein Streik beim Paketversender.
Du kannst Dein Verhalten ändern. Du kannst eine ehrliche Einschätzung eines Liefertermins geben. Natürlich erst dann, wenn der Kunde und Du zumindest das Ziel und das gemeinsam erwartete Ergebnis kennen. Alles andere käme dem sprichwörtlichen Kaffeesatzlesen gleich.
Und höre auf, Deinen Preis über den Zeitaufwand zu begründen. Die Rechtfertigung des Preises über Zeitaufwand, Arbeitszeit und Kostenverrechnungssatz ist prinzipiell falsch – auch wenn es leider seit vielen Jahrzehnten üblich ist. So haben leider auch manche Kunden gelernt, dass Kreative ihren Wert über möglichst lange Arbeitszeiten begründen müssen. Und deshalb stellen manche Kunden diese Frage tatsächlich mit der darin mitschwingenden Sorge, dass sich lange Zeit in einem hohen Preis niederschlagen müsse. Hier bist Du gefordert, neue Worte zu finden. Und Deinen Kunden verständnisvoll zu erklären, dass er sich hier keine Sorge machen muss.
Das Fahrrad wurde am Ostersamstag geliefert. Glück gehabt. Gerade noch rechtzeitig.