Jetzt fragt dieser Kunde nach einem Preisnachlass. Was fällt dem garstigen Unhold ein. Wie kann er es wagen, Dich und Deine Anständigkeit in Frage zu stellen? Eine Unverschämtheit. Zweifelt er etwa an Dir? Misstraut er Deinem Können? Oder gar an Deiner Ehrlichkeit? Glaubt er etwa, dass Du nicht »fair« bist? Vermutlich wieder so ein »Preisdrücker«. So einer, der es am liebsten billig will. Und damit nur eines im hinterhältigen Schilde trägt: Dich ausnutzen. Und zwar nicht zu knapp. Über den Tisch ziehen. Aber mit Dir nicht. Nicht mehr.
Kennst Du diese Situation? Vermutlich haben alle Kreativen, Berater, Agenturinhaber und all die anderen, die sich gegenwärtig über Zeitaufwand und Stundensatz zu Markte tragen, vergleichbare (oder schlimmere) Erfahrungen mit solchen Kunden gemacht. Was liegt nahe? Am besten jeden Kunden unter Generalverdacht stellen? Ein Kunde, der es wagt, deinen „Kostenvoranschlag« infrage zu stellen: Fort mit ihm. Einer, der Deine Aufwandsschätzung und Kalkulation in Frage stellt: Verteufeln. Und zwar entweder wahlweise empört die Meinung geigen oder beleidigt absagen und anschließend im Kreise anderer Kreativer sich die Wunden lecken. Ja so seien sie eben, diese schlimmen Kunden. Gut gemacht, tönt es dann zur Selbstbestätigung trotzig aus der Masse. Endlich einer, der es diesen Kunden gezeigt hat. Nicht jede Kröte wird geschluckt. Wurst, ob es vielleicht ein Prinz ist, der sich hinter dem froschigen Äußeren des knappen Erstkontakts verbarg. Durfte ja nicht lange dauern das wechselseitige Kennenlernen, denn Zeit ist ja Geld. Zu wenig Zeit fürs Kennenlernen. Und ja nicht zu viel erzählen, denn dafür müsse der Kunden ja gefälligst zahlen. Wäre ja sonst eine Vorleistung. Und deshalb muss es für einen Kostenvoranschlag reichen. Zumal wir für ein gutes, verständnisvolles und klares Angebot eh nicht genug wissen.
Erkennst Du Dich wieder? Zugegeben. Vielleicht mag es überspitzt sein. Ich jedenfalls erkenne mein altes Ich wieder. Und ich gestehe: Ich habe manchmal schon so gedacht. Auch ich habe lange an mir selbst gezweifelt, wenn ich mich von Kunden unverstanden und übervorteilt sah. Wenn es mir nicht gelungen war, die Wertschätzung zu erhalten, die ich für mich einforderte. Die ich glaubte, zu verdienen. Und jede Ablehnung und spätestens die ungeliebte Preisverhandlung schlug mir eine weitere Kerbe in meine zarte, empfindsame Künstlerseele. Jede Niederlage war zudem Wasser auf meine Mühlen der negativen Selbstbestätigung.
Dieses Verhalten ist menschlich
Dabei ist das ganze vollkommen menschlich. Erinnern wir uns doch um ein vielfaches leichter an unangenehme und gefährliche Erfahrungen. Das hat sich in Millionen Jahren Entwicklungsgeschichte in uns einprogrammiert. So erinnern wir uns an die schlimmen Fälle in Kundenbeziehungen, die uns schier in den Wahnsinn und bald in den Burn-Out getrieben haben, um ein vielfaches stärker. Sie brennen sich ein. Als Schutzreflex gleichsam. Es ist bequem, wenn wir uns immer wieder in die Opferrolle flüchten. Und auch unser Gehirn spart Energie dabei. Und die Momente, in denen wir vorgeblich (ich schreibe bewusst: vorgeblich!) nur aufgrund des zu hohen Preises »verloren« hätten, prägen so unser künftiges Verhalten.
Dabei hast Du in den letzten Jahren so viele Kunden glücklich gemacht und helfen können. Bald unzählige Erfolgsgeschichten angehäuft. Jedoch: So schön die vielen wunderbaren Erfolgsgeschichten auch sind: Sie verblassen im Vergleich zu den wenigen Momenten, die anschließend unsere negativen Glaubenssätze prägen. Um so wichtiger, dass wir uns und unseren Mitarbeitern und ebenso unseren Kunden (!) diese Erfolge immer wieder in Erinnerung rufen. Und zwar oft! Da gibt es kein zuviel. Und Kunden lieben – ganz nebenbei – auch inspirierende Erfolgsgeschichten …
Was aber mit diesen »Preisverhandlern«?
Hast du schon mein Auto gekauft? Zum Listenpreis? Höchstwahrscheinlich nicht, oder? Du hast vermutlich verhandelt wie die sprichwörtlichen Besenbinder. Du hast vielleicht so getan, als hättest du kein Interesse, hast auf Zeit gespielt und allerlei andere Taktiken eingesetzt. War Dir der Verkäufer deshalb böse? War er beleidigt? Hat es Dir krumm genommen? Mit Sicherheit nicht. Denn gelernte und ausgebildete Verkäufer wissen, dass es sich bei einer Preisverhandlung um ein Spiel handelt. Ein Spiel, bei dem mehr oder weniger alles erlaubt ist. Solange eine Seite nicht aussteigt. Und das geschieht einfach über ein Nein. Ein klar auf Augenhöhe vorgebrachtes Nein beendet jede Preisverhandlung. Sie beendet zudem die ökonomisch wichtige Suche nach dem besten Preis, die jeder Käufer durchführen muss. Und nimmt ihn diesen unbewussten Zweifel, ob nicht noch etwas »drin gewesen wäre«. So wie du vermutlich beim Kauf einer neuen Kaffeemaschine zwischenzeitlich mehr oder weniger ausgiebige Internetrecherchen vollführst. Bis hin zu einem Preisvergleich. Ähnliches hat auch ein Käufer von kreativen Werken zu vollführen., Zumal es hier aufgrund der in der Zukunft liegen, oftmals ungewissen Ergebnisse noch um einiges schwieriger ist, die richtige Entscheidung zu treffen. Wieviele Agenturen tummeln sich allein in Deiner Stadt? Mit wem zusammenarbeiten? Wem vertrauen? Passt Wert und Preis zusammen?
Natürlich möchte ich Dich nicht mit einem Auto vergleichen. Das was Du für und gemeinsam mit Deinen Kunden zu tun vermagst, ist im Gegensatz zu einem normalen Auto um ein Vielfaches einzigartiger. Aber auch bei Fahrzeugen gibt es unglaubliche Unterschiede – es mag allein der Blick auf einen handelsüblichen Kombi und ein von AMG-überholtes Ungetüm reichen? Wer braucht so etwas? Na, der dem es wert ist. Unabhängig davon finden in allen Fällen Wertbeurteilungen statt. Und ist der Wert erst einmal erkannt und der Handel steht bevor, dann geht es wiederum um die Suche nach dem »besten« Preis. Ist also die Entscheidung eigentlich schon getroffen, tritt folgende Frage in den Vordergrund: »Können wir am Preis noch etwas machen?«. Wie erlösend wäre hier ein klares, freundliches und verständnisvolles Nein. Für beide Handelspartner.
Stell den Wert in den Vordergrund
Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen verständlich, nein geradezu unabdingbar, dass ein potentieller Käufer deinen Wert und den vor allem für ihn zu erwartenden Wert abschätzen muss. Je weniger Information, Wissen, Erfahrung und Können ihm zur Verfügung stellt, desto mehr tritt zwangsläufig auch der Preis in den Vordergrund. Damit ist eine Frage nach dem Preis nicht nur die ökonomisch notwendige Suche nach dem besten Preis, sondern eben auch nicht selten Ausdruck einer Unsicherheit seitens des Käufers. Nimm es nicht persönlich. Und in den überwiegenden Fällen werden Kunden auch von Kreativen, die nicht notwendige Preisnachlässe (aufgrund mangelnder verkäuferischer Ausbildung und Wissen) geben, belohnt. So wird auch ein eigentlicher Wertkäufer zu einem blöffenden scheinbaren Billigheimer und »Preiskäufer«. Einfach, weil es sich lohnt. Gilt das auch für die Einkäufer, die so vielen Kreativen gerade sehr unangenehm erscheinen. Klar. Trete einen Schritt zurück – und lerne das Schauspiel, das in solchen Verhandlungen zelebriert wird, zu genießen.
Denn gerade hier liegt deine Chance. Wem es gelingt als Anbieter im Vorfeld die Beweggründe des möglichen Käufers zu ergründen, zu verstehen, die Erwartungshaltung zu greifen, und gemeinsam mit dem Käufer/Kunden das mögliche Ergebnis und den gemeinsam zu schaffenden Wert zu klären, erklären, zu verstehen und noch wichtiger einfach und klar verständlich zu machen, dem steht eine wunderbare Zusammenarbeit bevor.
Das bedeutet, du hast es in der Hand. Willst Du weiterhin jede Frage nach einer vermeintlichen Preissenkung als persönlichen Angriff und als Ausdruck einer klischeehaften Preisdrückerei empfinden? Soll dies weiterhin der zugrunde liegende Glaubenssatz, dass die meisten Kunden Billigheimer und Geizkrägen seien, dann wirst du die waren Möglichkeiten gemeinsamen Schaffens nie erleben. Sondern immer wieder dem anderen die Schuld geben, dass er dich nicht verstanden hat. Aber genau hier liegt der Denkfehler. Denn erst einmal musst du die Beweggründe des anderen verstehen, und dann öffnen sich die Toren zu einem wechselseitigen Verständnis.
Ist die Frage nach dem Preis damit entweder die Suche nach dem besten Preis? Oder ein Zeichen, dass der Wert noch nicht klar ist? In ersterem Fall ist die Frage damit ein Vorwand, um mögliche Preisbereitschaft seitens des Verkäufers herauszuhören. Dann strahle ehrliche und robuste Klarheit im Preis aus. Ist es wie im zweiten Fall Unsicherheit, dann eröffne dem Kunden und Dir die Chance, erneut zu sprechen. Und mögliche Missverständnisse und Unsicherheiten herauszufinden und zu klären. Und das ergibt ein Chance auf ein vollkommen neues Angebot.
Es gibt tatsächlich falsche Kunden
Und ja: Natürlich besteht die Möglichkeit, dass es sich tatsächlich um den falschen Kunden handelt. Oder dass es bessere Alternativen für ihn gibt. So wie jemand, der sich einen alten Volkswagen kaufen (kann), unter Umständen den Wert eines Porsche 911 erkannt haben mag. Die wirtschaftlichen Mittel (Geld) dies jedoch nicht zulassen.
Weiterhin ist es ein Zeichen von Fokussierung auf die Menschen, den man wirklich und wirkungsvoll helfen kann, Nein zu allen andern zu sagen, bei denen es entweder nicht so gut ginge oder bei denen es (wichtiger noch) keine Freude macht. Und damit ist ein Nein gegenüber einem möglichen Kunden ein sehr sinnvolles Werkzeug. Bist Du am richtigen Ort, zur richtigen Zeit für die richtigen Menschen mit dem passenden Angebot? Dann wird »Verkaufen« leicht. Dann ergibt sich auch der Preis bald von selbst.
Es gibt sie wirklich: Die Kunden, die man nicht mag. Die einfach nicht zu einem passen. Meide die Menschen, die Dir nicht gut tun. Oder denen Du nicht helfen kannst, weil sie sich nicht (von Dir) helfen lassen wollen. Bei denen kein Schmerzensgeld der Welt hoch genug sein kann. Die tatsächlich nur ihren eigenen Vorteil suchen – koste es was es wolle. Schlechte Kunden, die sogar über kurz oder lang dafür sorgen, dass gute Kunden verschwinden. Einfach, weil man vor schlaflosem Ärger keine Kraft hat mehr für die wertschätzenden Kunden. Du hast noch solche Kunden? Trenne Dich. Das geht nicht? Du brauchst Das Geld? Genau deshalb ist es so wichtig, dass Du an Dir arbeitest und Deinen wahren Wert erkennst. Das liegt in Deiner Verantwortung. Bist Du der Chef? Dann hast Du hier auch noch im weiteren Sinne eine Verantwortung für Deine Mitarbeiter, die es von solchen Kunden zu befreien gilt. Mein Weg verschafft Dir letztlich im ersten Schritt notwendige wirtschaftliche Freiheit, Dich mit gutem Gefühl davon zu lösen. Auf, zu neuen Ufern.
In diesem Beitrag geht es mir darum, dass wir die wirklich falschen Kunden von den scheinbar falschen Kunden häufig nicht richtig unterscheiden können – einfach weil wir es nicht gelernt haben. Nur weil jemand, am »Preis« verhandelt, ist das noch kein hinreichender Grund. Noch mal: Kaum ein Kreativer hat jemals eine verkäuferische Grundausbildung für sich in Anspruch genommen. Wer menschliches Handeln, das im wirtschaftlichen Raum sich in Kauf und Verkauf ausdrückt nicht versteht und die immer gleichen Muster erkennt, der wird sich kaum anders zu helfen wissen, als dem blöden Gegenüber, der nicht versteht oder oftmals sogar schlicht dumm sei, die Schuld zu geben. Dies ist nicht mein Weltbild.