In meinem letzten Beitrag habe ich über den Widerspruch zwischen von Stundensatz-Abrechnung und künstlicher Intelligenz geschrieben. Dort habe ich das Zeitaufwandsdenken als Grundlage der Preisfindung im kreativen Bereich als den Elefanten im Raum bezeichnet, der spätestens jetzt durch die bislang unvorstellbaren Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bietet, offensichtlich und dringlich wird.
In Wirklichkeit ist der Elefant noch größer. Der Stundensatz ist das Ergebnis einer sogenannten Vollkostenrechnung, die versucht, die überwiegend festen Ausgaben einer Verrechnungseinheit zuzuordnen – der Arbeitsstunde der Mitarbeiter. Hierfür muss sie eine durchschnittliche Abrechenbarkeit pro Mitarbeiter willkürlich festlegen.
Diese wird als Abrechnungsquote bezeichnet. Demnach müsse jeder Mitarbeiter durchschnittlich soundsoviele Stunden abrechenbar sein. Dies wird mittels einer projekt- und tätigkeitsbezogenen Zeiterfassung erfasst. Das war schon immer eine mangelhafte Idee, ist aber nun im Zeitalter der künstlichen Intelligenz noch um Größenordnungen schlimmer.
Hier möchte ich beispielhaft zwei Situationen zeigen, in denen das Controlling mittels Stundensatz und Zeitaufwänden zu Fehlschlüssen und Fehlanreizen führt. Nehmen wir an, ein einzelner Mitarbeiter hat bislang für seine Tätigkeiten etwa zehn Stunden gebraucht. Durch den Einsatz KI-unterstützter Werkzeuge braucht er nunmehr zwei Stunden. Jedoch muss er weiterhin seine Auslastungsquote erfüllen. Wie soll er sich verhalten, wenn es gerade keine weiteren Tätigkeiten zu erledigen gibt und die Erfüllung der Quote in Gefahr ist … B
islang wurde innerhalb der Agentur eine bestimmte Leistung an externe Partner vergeben. Dies könnte durch den Einsatz von KI innerhalb der Agentur selbst erstellt werden. Die externe Vergabe hat jedoch nur zwei Stunden internen Zeitaufwand beansprucht, das eigene Erstellen dauert – zumindest beim ersten Mal – acht Stunden. In der Kostenrechnung taucht dies als zusätzlicher Mehraufwand auf – unter Umständen wäre das Projekt danach nicht mehr »profitabel«.
Für welche Alternative entscheidet sich der verantwortliche Mitarbeiter, wenn er befürchten muss, dass sein Projekt danach als unprofitabel »gebrandmarkt« wird?
In beiden Fällen kommt es zu Fehlanreizen (1. Fall) oder Fehlschlüssen (2. Fall). Im zweiten Fall können dadurch Fremdausgaben gesenkt und so der Deckungsbeitrag erhöht werden.
Eine kluge unternehmerische Entscheidung, die unter Umständen verhindert wird, weil der überlagernde Bezugspunkt lautet: Achte auf die Zeitaufwände.
Die stundenbasierte Sicht des Controllings übersieht das Entscheidende: Kann durch bessere Zusammenarbeit, mehr Können und Erfahrung sowie bessere Werkzeuge das Problem des Kunden noch besser, wirkungsvoller und vor allem aus Kundensicht schneller gelöst werden? Es geht um das große Ganze, nicht um das Klein-Klein.